Die
meisten Segler die ich kenne haben eines gemeinsam – sie
träumen von der Langfahrt
Um
einmal am eigenen Leib zu erleben wie weit Träume von der
Realität entfernt sind, nehmen wir die Einladung eines
lieben Freundes an, der sich seinen Traum schon erfüllt hat.
Er
ist von einem Leben mit Haus, Garten und Familie in eine
Southerly 35 umgestiegen.
Fast
30 Jahre hat er bei vielen Seglerplauderruden immer wieder
die verrücktesten Thesen und Ideen verbreitet und war
bekannt dafür als „der, der ganz sicher einmal fährt“.
Und
so war es dann auch. 2005 erwirbt er eine Southerly 35 BJ
1980, beginnt diese nach seinen Vorstellungen umzubauen und
packt viele seiner jahrelang gebrüteten Ideen mit hinein.
Ungefähr ein Jahr später ist zwar noch nicht alles so wie
geplant, Heinz beschließt jedoch, dass jetzt der Zeitpunkt
gekommen ist, wirklich zu fahren. Er nimmt von dem kleinen
Hafen südlich von Lefkas, wo er das letzte Jahr schon
richtig heimisch geworden ist Abschied. Immer wieder
etappenweise von Familie und Freunden begleitet segelt er
durch die Straße von Palermo, mit kurzen Aufenthalten in
Sardinien und in den Balearen, dann weiter durch die Straße
von Gibraltar, auf die Kanaren und von dort in die Karibik.
Bis er schließlich in Antigua ankommt, wo wir mit ihm in den
nächsten drei Wochen - ein wenig von dem „ewigen
Urlaubgefühl“ teilen wollen.
So
treffen wir – am längsten Tag unseres Jahres den 1.Februar
2008 -, um 19:30 Ortszeit, bei einer Temperatur von 27 °C
in Antigua English Harbour ein. Vor 30 Stunden um 6 Uhr
Morgens haben wir Wien bei 5° und grauem Himmel verlassen.
Daran denken wir jetzt jedoch nicht mehr. Dass unser Gepäck
nur bis Frankreich gekommen ist, bedeutet nur einen kleinen
Wehrmutstropfen.
Heinz der uns schon erwartet führt uns mit seinem
Bananaboot mit E-Motor die kurze Strecke von einem kleinen
und recht wackeligen Steg (wie wackelig sehen wir erst am
nächsten Tag) zu seiner Solace.
Das
Bananaboot – ein kleines faltbares Kunststoffboot ist eines
der unzähligen Dinge, welches er schon von 30 Jahren mit dem
Gedanken an diese Langfahrt gekauft hat. Es hat ihn bei
vielen Urlaubsfahrten begleitet und bewährt. Der kleine
E-Motor stammt von seiner Shark vom Neusiedlersee – dort
wurde er allerdings selten verwendet.
An
Board angekommen setzten wir uns gemeinsam in die Plicht und
plaudern bei einem Glas Rotwein erstmal ausgiebig.
Unsere erste Nacht in Antigua wird von Musik der Hafendisco
lautstark untermalt, so dass ich schließlich genervt die
Ohrenstöpsel die wir im Flugzeug erhalten haben verwende.
Ganz unseemännisch - aber schließlich liegen wir ganz ruhig
vor Anker im Hafen und außerdem sind abgesehen von mir,
noch 2 erfahrene Segler an Bord – beide ohne Ohrenstöpsel
In
der Marina vom English Harbour gibt es außer Souvenir und
Kleidergeschäften auch einen kleinen Bäcker, gleich hinter
dem Nelson-Museum versteckt. Hier kaufen wir am nächsten
Morgen für unser 1. Frühstück an Bord ein. Gestärkt und
voller Tatendrang haben wir danach nur noch einen Wunsch -
leichte Kleidung und werden auch in den Marinaläden und
Ständen fündig.
Der
nächste Tagesordnungspunkt gilt unseren Bordvorräten. Von
der Atlantiküberquerung sind noch ausreichend
Grundnahrungsmitteln an Board. Zusätzlich dazu haben wir
paar Leckereien wie Cabanossi, Nüsse und anderen haltbaren
Dingen aus der Heimat mitgebracht. Das bedeutet, dass sich
unsere Einkaufsliste vor allem auf Obst, Gemüse und Getränke
beschränkt.
So
folgen wir dem Rat der Verkäuferin die uns mit Leibchen und
kurzen Hosen versorgt hat. Wir nehmen dem Bus Nr. 17 der
uns, in einer halbstündigen Fahrt, vom English Harbour bis
zum Markt direkt nach St. John’s auf die anderen Seite der
Insel bringt.
Hier
in der Hauptstadt Antiguas leben fast 45.000 der ca. 70.000
Einwohner und so herrscht entsprechender Trubel, viele
Menschen auf der Straße – viele Geschäfte – und vor allem
ein riesiger Obst- und Gemüsemarkt, wo wir alles finden was
unser Herz begehrt.
24
Stunden später als geplant können wir – wie versprochen -
unsere Taschen am Flughafen in Empfang nehmen und haben
abends dann allen Grund zu feiern. Dazu eignet sich am
besten das „Trappas“ ein sehr beliebtes und offensichtlich
gut besuchtes Restaurant in der Nähe des Hafens.
(Tischreservierung wird empfohlen) Mit viel Glück ergattern
wir noch 3 Plätze und bekommen vor diesen auch gleich die
Speisekarte gestellt – eine große Schultafel. Von den
Starters je EC$ 26,- / Hauptspeisen je EC$ 46,- / und
Beilagen je EC$ 13,- gibt es je 3-5 zur Wahl. Die Weinkarte
finden wir als Etikette auf einer vollen Weinflasche die am
Tisch steht. Das Essen ist wirklich vorzüglich und so
beschließen wir den Abend noch mit einem Cocktail - auch
hier gibt es einen Einheitspreis je EC$ 10,- (3,7
EC$ = 1 € ) So lässt es sich leben, finden wir alle
drei als wir nach dem Essen unsere Füße unter dem Tisch
ausstrecken.
Auch
in unserer zweiten und gleichzeitig letzten Nacht in Antigua
lässt die Hafendisco die Boxen dröhnen und so empfinden wir
kein wirkliches Bedauern, als wir English Harbour am
nächsten Tag verlassen.
Ich
bin die Einzige nicht seefeste Person an Bord und so fahren
wir heute nur bis Barbuda – damit sich mein Magen ein wenig
an die Bootsbewegungen gewöhnen kann.
Barbuda bildet gemeinsam mit Redonda (eine kleine
Felseninsel) und Antigua einen eigenen Antillenstaat. Es
liegt 30sm nördlich von Antigua ist 161 km² groß und hat,
wie auch Antigua vulkanischen Ursprung. Die höchste Erhebung
dieser kleinen weitgehend naturbelassenen Koralleninsel ragt
nur 44,5 m aus dem Meer. Barbuda hat ca. 1.500 Einwohner und
einen eigenen Ausklarierungshafen im Nordwesten der Insel.
Wenig bewohnt und als Naturschutzgebiet ausgewiesen, hält
sie was das Hafenhandbuch verspricht – Palmen, weißer
Sandstrand und türkisblaues Meer. Traumhaft, fast schon
kitschig diese Postkartenidylle.
Außer uns ankern nur ca. 4-5 Schiffe weit voneinander
entfernt im Südwesten vor der Insel. Zwischen den Palmen am
Ufer sehen wir einige Bungalows die unbewohnt und leer
sicher schon bessere Zeiten gesehen haben. Ressorts gibt es
nur mehr an der Südspitze. Wir schwimmen zum kilometerlangen
menschenleeren Strand und finden hier eine Menge Kokosnüsse.
Ein paar davon landen auf unserem Boot - mehr Nascherei als
eiserne Reserve.
Besonders schön ist auch das Schnorcheln bei den nahe
gelegenen Riffen - wir sehen unsere erste Wasserschildkröte
und ein paar kleinere Rochen. Hier würden wir es schon
einige Tage aushalten. Ein Ort zum „in der Hängematte
liegen“ und „mit der Seele baumeln“.
Aber
nichts da – am späten Nachmittag geht es weiter, da die
nächste Insel 80 sm entfernt ist, legen wir eine Nachtfahrt
ein. Wir wollen bei Tageslicht die vorgelagerten Riffe von
Barbuda passieren und wieder bei Tageslicht unsere nächste
Etappe – die Insel St. Martin – erreichen.
Der
kräftige Ostwind bleibt uns treu und wir erreichen unser
Tagesziel am frühen Vormittag.
Die
wurde nach dem Heilige Martin benannt, da sie an dessen
Namenstag, den 11. November 1493, sie von Christoph Kolumbus
entdeckt wurde. Hier leben auf einer Fläche vom 94 km²
ungefähr 77.000 Menschen (36.000 im französischen und 41.000
im niederländischen Teil). Die offizielle Währung des
französischen Teiles ist der Euro und die des
niederländischen der Antillen-Gulden. Auf Grund des starken
Tourismus ist jedoch der Doller bevorzugtes Zahlungsmittel.
Wir
Ankern in der Nähe des Prices Juliana International Airport
wo wir vor ein paar Tagen zwischengelandet sind. Das
Hafenhandbuch verspricht tolle Versorgungsmöglichkeiten für
Segeljachten. Es gibt eigene Agenturen die, von Champagner
bis Kaviar alles aufs Schiff liefern. Leider sind die
Geschäfte die zu Fuß erreichbar sind jedoch recht spärlich.
Nach einem unangenehmen Spaziergang entlang der stark
befahrenen Hauptstraße, finden wir ein paar kleinere
schlecht ausgestattete „Supermärkte“. Das Highlight dieser
Straßenwanderung ist eine französische Bäckerei. Hier decken
wir uns mit Brot in den verschiedensten Varianten ein, auch
Schwarzbrot und Kuchen. Wir beginnen zu lernen – gekauft
wird was wir bekommen.
St.
Martin hat noch einen zweiten großen Hafen - in Philipsburg
der Hauptstadt des niederländischen Teiles. Dieser wird vor
allem von den großen Kreuzfahrtschiffen angelaufen (ca.10
täglich). Später erfahren wir dann, dass dieser Hafen nicht
nur sehr schön ist, sondern auch ein reichhaltiges Angebot
für Segler bietet. Wir haben uns leider von den riesigen
schwimmenden Luxushotels abschrecken lassen.
Nach
einem kurzen Badestop, in einer der südwestlichen Buchten
der Insel, geht unsere Reise weiter – immer Richtung Westen.
Die cirka 80 sm entfernten Virgins sind unser nächstes Ziel.
Da
wir kein amerikanisches Visum haben, beschränken wir uns
darauf den britischen Teil davon zu besuchen. Sowohl für den
spanischen als auch für den amerikanischen Teil ist ein
solches für Segler, die auf eigenem Kiel anreisen,
erforderlich.
Die
Einklarierungsformalitäten wollen wir auf Virgin Gorda
erledigen. Sie ist die drittgrößte der britischen Virgins
und wird, auch wegen ihrer Silhouette einer rundlichen Frau
welche am Rücken liegt, „die dicke Jungfrau“ genannt.
Wie
empfohlen, melden wir uns über Funk und erhalten einen Platz
in der Marina zugewiesen.
Die
Mitarbeiter des Marinabüros interessieren sich nur für
unsere Kreditkarte und schicken uns nachdem sie deren Nummer
notiert und uns den Schlüssels für die Sanitäranlagen
gegeben haben, weiter zur Hafenbehörde.
Diese befindet sich ca. 5 min von der Marina entfernt und zu
Fuß leicht erreichbar. Das Büro selbst ist schwer zu finden
vor allem deshalb, da an der Türe ein großes Schild „out of
office“ baumelt. Nach mehrmaligem Nachfragen versuchten wir
diese Türe zu öffnen und stehen dem Team der Hafenbehörde
gegenüber. Der Hinweis auf das Schild an der Türe bringt
nur ein „ach das dreht sich beim Öffnen immer wieder um“ mit
sich. Die Beamten selbst sind recht freundlich und nach dem
Ausfüllen aller Papiere mit teilweise 6-fachem Durchschlag
und der Bezahlung des verlangten Obolus (die Kasse hat nur
bis 15:30 offen) dauert das Prozedere schließlich doch alles
in allem ca. 2 Stunden.
Leider sehen wir von den laut Hafenhandbuch versprochenen
netten, freundlichen und um unser Wohlergehen bemühten
Mitarbeitern in der Marina sehr wenig. Auch die hoch
gelobten und streng bewachten Sanitäranlagen sind eher
schlechter Durchschnitt. Aber wer beklagt sich schon, wenn
er nach längerer Zeit mal wieder unter einer richtigen
Dusche stehen kann – dass diese kalt ist, stört nicht
wirklich, denn hier herrschen Tagestemperatur von 30° bis
35°C.
Zwei
Restaurants, eine Eisdiele, ein Tauchshop ein Weingeschäft
und ein gut ausgestatteter Supermarkt komplettieren das
Angebot der Marina. Nicht gerade billig aber immerhin
bekommt man so gut wie alles. Das Angebot für einen
Tauchgang um US$ 90,- pro Person nehmen wir nicht an – da
gehen wir lieber Schnorcheln.
Ein
ausgiebiger Abendspaziergang führt uns ca. 4 km die
Landstraße entlang, aber abgesehen von einem Hotel mit
Restaurant und einer schlecht besuchte Bar, finden wir
nichts und so empfehlen wir uns nach einem Glas Rotwein in
unsere Kojen.
Fünf
Tage haben wir auf den Britischen Virgins Zeit. Wir finden
ein paar wirklich schöne Ankerplätze wie z.B. Gorda Sound.
Von den Amerikanern „a Seaman`s Heaven“ – ein Paradies für
Seeleute genannt, ist diese weiträumige, tiefe Bucht an der
Nordküste von Virgin Gorda gut gegen Wind und Seegang
geschützt und gleicht eher einem Binnenrevier. Laut unserem
Hafenhandbuch gibt es drei Einfahrten von denen zwei als
gefährliche Passagen ausgewiesen sind.
Wir
wollen durch die westliche Passage, welche auf der Seekarte
mit 1,5 m Wassertiefe eingezeichnet ist. Also heißt es Kiel
und Ruder hoch – jetzt beträgt unser Tiefgang nur mehr ca.
70 cm. Ein Mann an den Bug und eine Frau als Ansage für den
Tiefgang, wagen wir uns zur Mittagszeit bei hochstehender
Sonne und den Wind gegenan mit Motor durch die Einfahrt.
Bei
der Ansage von 1 m ist unser Skipper noch ganz locker als
wir nur mehr 80 cm Wasser unterm Kiel haben, wird er dann
doch etwas blass um die Nase. Da laut Heinz das Log richtig
eingestellt ist, fragen wir uns wo die restlichen 70 cm
Wasser geblieben sind, wo sich die Tiefenangaben der Karte
doch auf das mittlere Springniedrigwasser beziehen sollten.
Seichter wird es hier jedoch zum Glück nicht mehr. Als wir
unseren, zwar den immer noch starken Wind ausgesetzten, doch
wunderschönen Liegeplatz hinter einem Riff erreicht haben,
fällt der heutige Sundowner etwas früher und ein wenig
stärker aus als sonst.
Von
hier sehen wir sowohl aufs offene Meer als auch zur Leverick
Bay im Süden der großen Bucht. Viele Jachten bevorzugen die
dort befindliche Marina, wo angeblich vom
Champagnerfrühstück bis zum Captain's Dinner mit gegrilltem
Lobster alles
geboten wird.
Weiter wollen wir Virgin Sound nicht erkunden und so
verlassen wir die Bucht am nächsten Morgen durch die
normale, gut betonnte Ausfahrt.
Eines unserer Ziele für heute ist „The Bath“, obwohl im
Hafenhandbuch nur als Tagesliegeplatz bezeichnet, sind die
Bojen schon um 8 Uhr Morgens fast alle belegt.
Die
gewaltigen abgerundeten Granitfelsen formen eine Grotte, die
zum Meer hin offen ist. Der wunderschöne Sandstrand des
„Badezimmers“ ist Magnet für viele Touristen, welche mit
Booten hierhergebracht werden, und diese Bucht zum in der
Sonne liegen und Schnorcheln nutzen.
Noch
vor Mittag sind fast so viele Schnorchler wie Fische im
Wasser und wir suchen uns ein anders Plätzchen für die
Nacht.
Dieses finden wir in einer schönen und ebenso beliebten wie
wind geschützten Bucht an der Nordwestseite von Peter Island
im Little Harbour. Hier werden Erinnerungen an Kroatien
wach. Ein Schiff neben den anderen, jeweils mit zwei
Landleinen am Heck und Buganker hängt nebeneinander. Auch
wir finden ein Plätzchen zwischen zwei deutlich größeren
Segeljachten.
Beim
Erkunden der Unterwasserwelt fesselt uns eine Gruppe von
cirka 10 Tintenfischen mit ihren Wasserspielen.
Zur
Feier des Tages gibt es die Leibspeise des Skippers -
Palatschinken. So sitzen wir noch lange und genießen unseren
schönen und heute ganz ruhigen Liegeplatz. Nur die Motoren
unserer beiden Nachbarn stören die Idylle dieses Abends ein
wenig.
Wieder einmal schätzen wir es sehr, dass Heinz sein Schiff
so ausgerüstet hat, dass der Windgenerator und die
Sonnenkollektoren die gesamte benötigte Bordenergie liefern.
Langsam müssen wir an die Überfahrt nach Kuba denken -
immerhin rechnen wir mit 5 – 7 Tagen je nach Wind. Um die
Bordvorräte entsprechend aufzustocken, planen wir einen
kurzen Einkaufsstopp auf der Insel Tortola, welche nördlich
unseres Ankerplatzes liegt. Nur ein paar Seemeilen entfernt
befindet sich Road Harbour, ein riesiger Hafen mit 3 Marinas
und einigen Charterstützpunkten. An einem verlassen
aussehenden jedoch offensichtlich gut ausgebauten Steg eines
dieser Charterstützpunkte machen wir fest. Heinz bleibt am
Schiff, Edi und ich suchen einen Supermarkt. Am Weg dorthin
treffen wir einen freundlichen jungen Mann, der uns mit
seinem kleinen Bus zum Supermarkt und wieder zurück fährt.
Einen Preis für die ca. 5 Minuten lange Fahrt nennt er
keinen – „Tip“ ist für ihn in Ordnung. In dem Wissen mit
einem Auto zurückfahren zu können, füllen wir den
Einkaufswagen mit all den Dingen, die uns für die Überfahrt
wichtig erscheinen. Eine gute Stunde dauert unsere
Einkaufsorgie - danach setzt uns der nette junge Mann samt
den drei Kartons und vier Plastiktaschen am Steg wieder ab.
Nach
dem Verstauen der Einkäufe sitze ich ein wenig geschafft in
der Plicht und lasse Tortola „die Taubeninsel“ an mir
vorüberziehen.
Die
54 km² große Insel ist ca. 20 km lang und 5 km breit. Die
meisten der 14.000 Einwohner leben in der Hauptstadt Road
Town. Überall gibt es große und gut besuchte Marinas – doch
diese reizen uns nicht. Unsere letzte Nacht in den Virgins
würden wir am liebsten in einer einsamen Bucht verbringen.
Und wirklich - auf der Insel Great Camanoe finden wir die
wenig bekannte Lee Bay. Eine wunderschöne Bucht, die wir nur
mit einem zweiten Segelschiff und ein paar fischenden
Pelikanen teilen müssen
So
schön die Landschaft dieser Bucht ist so sehr begeistert uns
auch die Unterwasserwelt. Schwärme von ca. 3-4 cm großen
Fischen nehmen uns die Sicht beim Schnorcheln und sind auch
der Grund warum sich die gar nicht scheuen Pelikane
unverdrossen immer wieder - aus beachtlicher Höhe - mit dem
Kopf voran ins Wasser stürzen. Aber auch größere Räuber wie
Baraccudas und Tarpone sehen wir hier unter Wasser –
Korallen, Gorgonien, Doktorfische, .... wir können uns gar
nicht satt sehen.
Ein
Abend wie im Bilderbuch - satt und zufrieden sitzen wir bei
unserm Glas Rotwein und genießen die friedliche Stimmung.
Der
Great Harbour auf der nur 8 km² großen Insel Jost van Dyke
– sie ist die kleinste der vier Hauptinseln - ist unsere
letzte Station auf den Virgins.
Die
Ausklarierungsformalitäten sind in fünf Minuten erledigt.
Wir kaufen noch Brot und sind nach einer halben Stunde
wieder zurück. Einmal noch ins Wasser und dann legen wir
endgültig ab um die Virgins zu verlassen.
Als
der Anker oben ist, merkt Edi, dass wir unseren Bootshaken,
der normalerweise in einem dafür vorgesehenen Rohr am
Vorschiff stecken sollte, verloren haben. Er hat den Haken
wohl beim letzten Ankermanöver in der Bucht mit den
Pelikanen nur an Deck gelegt. Wo und wann dieser sich dann
selbstständig gemacht hat, können wir nicht mehr
herausfinden.
Der
immer noch recht starke Ostwind bleibt uns treu und ich
sitze auf meinem Lieblingsplatz in der Plicht und
verabschiede mich geistig von der kleinen Insel. Plötzlich
sehe ich ca. 50 Meter hinter unserm Heck in den Wellen einen
Stab schaukeln. Ich mache Heinz darauf aufmerksam, wir
diskutieren eine kurze Weile, rollen die Genua wieder ein,
starten den Motor und ändern unsere Fahrt in Richtung der
von mir in der Zwischenzeit fixierten Stelle. Und wirklich
kurze Zeit später sehen wir alle diesen langen silbernen
Stab im Wasser schwimmen. Ein gekonntes Manöver mit dem 2.
Bootshaken und Edi hält unseren Bootshaken wieder in Händen.
Völlig verdattert und ungläubig schauen wir auf das Ding.
Offensichtlich haben wir ihn bei der Hafeneinfahrt während
des Einrollens der Genua verloren und er ist uns ein Stück
voraus geschwommen. Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, ihn
dann wieder zu finden, kann sich jeder vorstellen.
So
beginnen wir unsere Überfahrt nach Kuba in ausgelassener
Stimmung.
Diese ändert sich jedoch - was mich betrifft, als die Nacht
und meine Wache beginnt - sehr rasch.
Tage
und Nächte auf See - weit und breit kein Land in Sicht. Oft
schon habe ich davon geträumt.
Aber
irgendwas war da anders in meinen Träumen. Wenn ich ehrlich
bin, fühle ich mich alles andere als traumhaft. Und ich
frage mich ernsthaft was ich da eigentlich tue - will ich
das wirklich?
Ich
sitze mutterseelenallein in stockdunkler Nacht bei immer
stärker werdendem Wind, mit Schwimmweste und an der Leine
auf einem rollenden Boot, das mir immer noch ein flaues
Gefühl im Magen bereitet. Rings um mich nur Finsternis,
abgesehen von den wenigen kleinen Lichtern in der Ferne, von
Dampfern oder Fischerbooten.
Andere verbringen ihre Urlaub in Hotels werden den ganzen
Tag verwöhnt, sitzen beim Essen auf richtigen Sesseln an
Tischen und schlafen die ganze Nacht in ruhig stehenden
wunderbar weichen und breiten Betten. Und was tu ich? Ich
habe richtig Mitleid mit mir in dieser Nacht.
Doch
es kommen auch mondbeschienene Nächte mit glitzernden
Sternen, die das Wasser in flüssiges Silber verwandeln. Ich
liege an Deck und es ist so wunderbar friedlich und schön,
dass ich alles andere vergesse. Um nichts in der Welt möchte
ich tauschen, mit niemand. So sollte es immer sein.
Auch
das ist Segeln für mich – immer wieder ein Wechselbad der
Gefühle.
So
vergehen die Tage und Nächte der Überfahrt wie im Flug. Wir
gewöhnen uns daran beim Essen alle benötigten Dinge zwischen
den Beinen eingeklemmt zu halten. Die sonstigen Mahlzeiten
werden nur aus Schüsseln eingenommen mit möglichst wenig
Besteck. Herumliegen lassen darf man nichts.
Da
wir fast immer recht gleichmäßigen Wind haben, sind selten
Segelmanöver notwendig. Die Genua auf der einen, die Fock
auf der anderen Seite ausgebaumt - so treibt uns der Ostwind
auch ohne Grossegel vor sich her und Kuba entgegen. Manchmal
in der Nacht, wenn das Pfeifen des Windgenerators immer
stärker wird und die Windfahne nicht mehr Kurs halten kann,
verkleinern wir die Genua ein wenig.
Da
Heinz weder eine Windanzeige noch ein Log hat, verlassen wir
uns auf unser Gefühl und das Pfeifen des Windgenerators. Nur
die Fahrt durchs Wasser können wir am Bildschirm des
vorklappbaren Laptops – der die Seekarte mit der
eingegebenen Route und die GPS Daten zeigt - vom Steuerstand
aus sehen. Für uns, die wir sonst mit genauen Angaben über
Windstärke, Richtung und Schiffsgeschwindigkeit gut versorgt
sind, eine eher ungewöhnliche Situation.
Nach
5 Tagen und Nächten, schneller als gedacht, nähern wir uns
jetzt der größten Insel der Karibik -Kuba. Mit seinen fast
111.000 km² liegt sie in der Rangliste der größten Inseln
der Welt auf Platz 15.
Da
die weitere Route von Heinz über Nassau (Bahamas) nach Miami
führt, werden wir uns nur im Nordosten der Insel aufhalten.
Wir sind schon sehr gespannt was uns dort erwartet.
Die
erste Enttäuschung erleben wir jedoch schon, als wir in den
von uns ausgesuchten Einklarierungshafen einlaufen wollen -
Bahia de Naranjo. Über Funk melden wir uns lange vor der
Einfahrt in die Bucht, vorschriftsmäßig ausgerüstet mit
gelber Flagge an Backbord und kubanischer Flagge an
Steuerbord. Da wir keine Antwort erhalten, passieren wir die
Einfahrt und werden kurz danach schon wieder gestoppt. Nein,
hier dürfen wir nicht einlaufen, diese Bucht ist
Naturschutzgebiet und schon seit dem Jahr 2000 für private
Segeljachten gesperrt.
Etwas enttäuscht kehren wir um und laufen den nächsten, nur
3 sm entfernten Hafen, Puerto de Vita an. Eine große tief
einschneidende Bucht umgeben von Mangrovenwäldern die bis
ans Wasser reichen.
Hier
werden wir via Funk vom Hafenmeister in die Marina im
Südteil der Bucht gelotst und müssen vorerst alle an Bord
bleiben – bis der Arzt kommt.
Dieser trifft dann auch nach etwa 40 Minuten bei uns am Boot
ein. Sehr freundlich erkundigt er sich nach unserem
gesundheitlichem Befinden, füllt einige Formulare aus und
meint: „Sie können jetzt die gelbe Flagge herunternehmen“.
Dies ist das Stichwort für sechs weitere Männer, die am Steg
vor dem Schiff Aufstellung genommen und offensichtlich nur
darauf gewartet haben, dass der Arzt die Freigabe
ausspricht. Hafenmeister, Veterinär, Einwanderungsbeamter,
Zöllner ….. versammeln sich um den großen Salontisch im
Schiff und breiten jede Menge Papiere vor sich aus. Heinz
verteilt die vorbereiteten Listen mit allen Angaben über
Schiff und Crew und beginnt die ihm vorgelegten Papiere
auszufüllen und zu unterschreiben. Die Beamten sind sehr
freundlich, füllen einen Teil der Formulare anhand der
Angaben der Crewliste selbst aus, und lassen diese dann nur
mehr vom Skipper unterzeichnen.
Dieses ganze Prozedere inkl. Suchhund und Kontrolle - mit
Aufzeichnung der an Bord befindlichen Lebensmittel vom
Veterinär (er wollte bei jedem Ding wissen wo es gekauft
wurde) - dauert ca. 3 Stunden. Wir haben ja schon einiges
gehört und gelesen über die Behörden in Kuba, aber sie
selbst zu erleben ist dann doch etwas Anderes.
Nach
einer ausgiebigen Dusche wollen wir die Marina und deren
nähere Umgebung erkunden und dann Essen gehen. So weit der
Plan. Das mit dem Duschen klappt ja noch, doch die Marina
verlassen dürfen Edi und ich nicht. Ohne Visum ist das
leider nicht möglich, wird uns freundlich aber bestimmt
vermittelt. Also gehen wir wieder zurück auf Schiff und
kochen selbst denn das Marinarestaurant ist finster und
verlassen.
So
haben wir uns den ersten Abend an Land zwar nicht
vorgestellt, aber wir lassen uns die Stimmung nicht
vermiesen. Unser Skipper hatte mehr Glück, er durfte hinaus
– warum haben wir nie erfahren – offensichtlich hat er als
Erster von uns den Schranken passiert und die Behörden
wollten uns nicht alle hinauslassen.
Am
nächsten Tag erhalten wir alle unsere Visa – frei bewegen
dürfen wir uns jedoch nur an Land. Wir spazieren durch den
kleinen Ort und werden überall mit einem freundlichen „Hola“
begrüßt. Kleine, teilweise recht ärmliche Häuschen mit
kleinen Gärten säumen die Straße. Wir finden eine Bäckerei
und bekommen dort – mangels Geld – unsere Euro oder Dollar
wollen sie nicht – ein paar Brötchen geschenkt. Die Hitze
treibt uns bald wieder zurück in die Marina wo wir auch
baden gehen.
Ausfahren dürfen wir jedoch nicht – dafür benötigen wir ein
Permit. So nehmen Edi und ich die Bordfahrräder und machen
uns auf den Weg zu einem der großen Hotels, die wir vom Meer
aus gesehen haben. Nach ca. 10 km erreichen wir die großen
Ressorts. Wir wechseln Geld und fahren mit den Rädern zum
Strand. Dieser ist frei und für alle zugänglich. Es gibt
zwar jede Menge Restaurants und Bars nur Kaufen können wir
leider nichts. Die Lokale sind ein Teil der „All inklusive
Ressorts“.
So
radeln wir nach einem kurzen Bad wieder zum Boot zurück.
Am
nächsten Tag haben wir nach einigen Diskussionen mit der
Hafenbehörde erreicht, dass wir doch mit Sonderpermit
ausfahren dürfen. Wir kreuzen – das erste Mal in diesem
Urlaub - gegen den Wind in die 10 sm entfernte Bahia de
Sama. Eine tief einschneidende Bucht in deren Einfahrt wir
dann nach Anweisung des Hafenmeisters ankern dürfen. Dort
verbringen wir die nächsten beiden Tage und Nächte mit
Baden, die Bucht im Beiboot erkunden, spazieren gehen und
faulenzen. Wir dürfen sogar an Land gehen – aber nicht alle
drei gemeinsam – einer muss immer am Schiff bleiben.
Wieder zurück in der Marina vergeht auch der letzte Tag
rasch und wir müssen uns wieder von Heinz und seiner Solace,
die uns die letzten drei Wochen fast ein Zuhause geworden
ist, verabschieden.
Unser Urlaub ist zu Ende, doch diese Art zu Leben und zu
Reisen hat uns in den Bann gezogen. Wer weiß, vielleicht
treffen wir uns eines Tages - er mit seinem und wir mit
unserem Boot. Irgendwo in der Karibik oder in der Südsee.
Schließlich träumen auch wir den Traum aller Segler.
|