Der gemeinsame Traum

21.02.16

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Der gemeinsame Traum

Die meisten Segler die ich kenne haben eines gemeinsam – sie träumen von der Langfahrt

Um einmal am eigenen Leib zu erleben  wie weit Träume von der Realität entfernt sind,  nehmen wir die Einladung eines lieben Freundes an, der sich seinen Traum schon erfüllt hat.

Er ist von einem Leben mit Haus, Garten und Familie  in eine Southerly 35 umgestiegen.

Fast 30 Jahre hat er bei vielen Seglerplauderruden immer wieder die verrücktesten Thesen und Ideen verbreitet und war bekannt dafür als „der, der ganz sicher einmal fährt“.

Und so war es dann auch. 2005 erwirbt er eine Southerly 35 BJ 1980, beginnt diese nach seinen Vorstellungen umzubauen und packt viele seiner jahrelang gebrüteten Ideen mit hinein.

Ungefähr ein Jahr später ist zwar noch nicht alles so wie geplant, Heinz beschließt jedoch, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wirklich zu fahren.  Er nimmt von dem kleinen Hafen südlich von Lefkas, wo er das letzte Jahr schon richtig heimisch geworden ist Abschied. Immer wieder etappenweise von  Familie und Freunden begleitet segelt er durch die Straße von Palermo, mit kurzen Aufenthalten in Sardinien und in den Balearen, dann weiter durch die Straße von Gibraltar, auf die Kanaren und von dort in die Karibik. Bis er schließlich in Antigua ankommt, wo wir mit ihm in den nächsten drei Wochen - ein wenig von dem „ewigen Urlaubgefühl“ teilen wollen.

So treffen wir – am längsten Tag unseres Jahres den 1.Februar 2008 -, um 19:30 Ortszeit, bei einer Temperatur von  27 °C  in Antigua English Harbour ein.  Vor 30 Stunden um 6 Uhr Morgens haben wir Wien bei 5° und grauem Himmel verlassen. Daran denken wir jetzt jedoch nicht mehr. Dass unser Gepäck nur bis Frankreich gekommen ist, bedeutet nur einen kleinen Wehrmutstropfen.

 

Heinz der uns schon erwartet  führt uns mit seinem Bananaboot mit E-Motor die kurze Strecke von einem kleinen und recht wackeligen Steg  (wie wackelig sehen wir erst am nächsten Tag) zu seiner Solace.

Das Bananaboot – ein kleines faltbares Kunststoffboot ist eines der unzähligen Dinge, welches er schon von 30 Jahren mit dem Gedanken an diese Langfahrt gekauft hat. Es hat ihn bei vielen Urlaubsfahrten begleitet und bewährt. Der kleine E-Motor stammt von seiner Shark vom Neusiedlersee – dort wurde er allerdings selten verwendet.

An Board angekommen setzten wir uns gemeinsam in die Plicht und plaudern bei einem Glas Rotwein erstmal ausgiebig.

Unsere erste Nacht in Antigua wird von Musik der Hafendisco lautstark untermalt, so dass ich schließlich genervt die Ohrenstöpsel die wir im Flugzeug erhalten haben verwende. Ganz unseemännisch  - aber schließlich liegen wir ganz ruhig vor Anker im Hafen und außerdem sind abgesehen von mir,  noch 2 erfahrene Segler an Bord – beide ohne Ohrenstöpsel 

In der Marina vom English Harbour gibt es außer Souvenir und Kleidergeschäften auch einen kleinen Bäcker, gleich hinter dem Nelson-Museum versteckt.  Hier kaufen wir am nächsten Morgen für unser 1. Frühstück an Bord ein. Gestärkt und voller Tatendrang haben wir danach nur noch einen Wunsch - leichte Kleidung und werden auch in den Marinaläden und Ständen fündig. 

Der nächste Tagesordnungspunkt gilt unseren Bordvorräten. Von der Atlantiküberquerung sind noch ausreichend Grundnahrungsmitteln an Board. Zusätzlich dazu haben wir paar Leckereien wie Cabanossi, Nüsse und anderen haltbaren  Dingen aus der Heimat mitgebracht. Das bedeutet, dass sich unsere Einkaufsliste vor allem auf Obst, Gemüse und Getränke beschränkt.  

So folgen wir dem Rat der  Verkäuferin die uns mit Leibchen und kurzen Hosen versorgt hat. Wir nehmen dem Bus Nr. 17 der uns, in einer halbstündigen Fahrt, vom English Harbour bis zum Markt direkt nach St. John’s auf die anderen Seite der Insel bringt.

Hier in der Hauptstadt Antiguas leben fast 45.000 der ca. 70.000 Einwohner und so herrscht entsprechender Trubel, viele Menschen auf der Straße – viele Geschäfte –  und vor allem ein riesiger Obst- und Gemüsemarkt, wo  wir alles finden was unser Herz begehrt.

24 Stunden später als geplant können wir – wie versprochen - unsere Taschen am Flughafen in Empfang nehmen und haben abends dann allen Grund zu feiern. Dazu eignet sich am besten das „Trappas“ ein sehr beliebtes und offensichtlich gut besuchtes Restaurant in der Nähe des Hafens. (Tischreservierung wird empfohlen)  Mit viel Glück ergattern wir noch 3 Plätze und bekommen vor diesen auch gleich die Speisekarte gestellt – eine große Schultafel. Von den Starters je EC$ 26,- /  Hauptspeisen je EC$ 46,- / und Beilagen je EC$ 13,- gibt es je 3-5 zur Wahl. Die Weinkarte finden wir als  Etikette auf einer vollen Weinflasche die am Tisch steht. Das Essen ist wirklich vorzüglich und so beschließen wir den Abend noch mit einem Cocktail - auch hier gibt es einen Einheitspreis je EC$  10,- (3,7 EC$ = 1 € )  So lässt es sich leben, finden wir alle drei als wir nach dem Essen unsere Füße unter dem Tisch ausstrecken.

Auch in unserer zweiten und gleichzeitig letzten Nacht in Antigua lässt die Hafendisco die Boxen dröhnen und so empfinden wir kein wirkliches Bedauern, als wir English Harbour am nächsten Tag verlassen.

 

 

 

Ich bin die Einzige nicht seefeste Person an Bord und so fahren wir heute nur bis Barbuda – damit sich mein Magen ein wenig an die Bootsbewegungen gewöhnen kann.

Barbuda bildet gemeinsam mit Redonda (eine kleine Felseninsel) und Antigua einen eigenen Antillenstaat. Es liegt 30sm nördlich von Antigua ist 161 km² groß und hat,  wie auch Antigua vulkanischen Ursprung. Die höchste Erhebung dieser kleinen weitgehend naturbelassenen Koralleninsel ragt nur 44,5 m aus dem Meer. Barbuda hat ca. 1.500 Einwohner und einen eigenen Ausklarierungshafen im  Nordwesten der Insel.

Wenig bewohnt und als Naturschutzgebiet ausgewiesen, hält sie was das Hafenhandbuch verspricht – Palmen, weißer Sandstrand und türkisblaues Meer. Traumhaft, fast schon kitschig diese Postkartenidylle.

 

Außer uns ankern nur ca. 4-5 Schiffe weit voneinander entfernt im Südwesten vor der Insel. Zwischen den Palmen am Ufer sehen wir einige Bungalows die unbewohnt und leer sicher schon bessere Zeiten gesehen haben. Ressorts gibt es nur mehr an der Südspitze. Wir schwimmen zum kilometerlangen menschenleeren Strand und finden hier eine Menge Kokosnüsse. Ein paar davon landen auf unserem Boot - mehr Nascherei als eiserne Reserve.

Besonders schön ist auch das Schnorcheln bei den nahe gelegenen Riffen - wir sehen unsere erste Wasserschildkröte und ein paar kleinere Rochen. Hier würden wir es schon einige Tage aushalten. Ein Ort zum „in der Hängematte liegen“ und „mit der Seele baumeln“.

Aber nichts da – am späten Nachmittag geht es weiter, da die nächste Insel 80 sm entfernt ist, legen wir eine Nachtfahrt ein. Wir wollen bei Tageslicht die vorgelagerten Riffe von Barbuda  passieren und wieder bei Tageslicht unsere nächste Etappe – die Insel St. Martin – erreichen. 

Der kräftige Ostwind bleibt uns treu und wir erreichen unser Tagesziel am frühen Vormittag.

Die wurde nach dem Heilige Martin benannt, da sie an dessen Namenstag, den 11. November 1493, sie von Christoph Kolumbus entdeckt wurde. Hier leben auf einer Fläche vom 94 km²  ungefähr 77.000 Menschen (36.000 im französischen und 41.000 im niederländischen Teil). Die offizielle Währung des französischen Teiles ist der Euro und die des niederländischen der Antillen-Gulden. Auf Grund des starken Tourismus ist jedoch der Doller bevorzugtes Zahlungsmittel.

Wir Ankern in der Nähe des Prices Juliana International Airport wo wir vor ein paar Tagen zwischengelandet sind. Das Hafenhandbuch verspricht tolle Versorgungsmöglichkeiten für Segeljachten. Es gibt eigene Agenturen die, von Champagner bis Kaviar alles aufs Schiff liefern.  Leider sind die Geschäfte die zu Fuß erreichbar sind jedoch recht spärlich. Nach einem unangenehmen Spaziergang entlang der stark befahrenen Hauptstraße, finden wir ein paar kleinere schlecht ausgestattete „Supermärkte“. Das Highlight dieser Straßenwanderung ist eine französische Bäckerei. Hier decken wir uns mit Brot in den verschiedensten Varianten ein, auch Schwarzbrot und  Kuchen. Wir beginnen zu lernen – gekauft wird was wir bekommen.

St. Martin hat noch einen zweiten großen Hafen - in Philipsburg der Hauptstadt des niederländischen Teiles. Dieser wird vor allem von den großen Kreuzfahrtschiffen angelaufen (ca.10 täglich). Später erfahren wir dann, dass dieser Hafen nicht nur sehr schön ist, sondern auch ein reichhaltiges Angebot für Segler bietet. Wir haben uns leider von den riesigen schwimmenden Luxushotels abschrecken lassen.

Nach einem kurzen Badestop, in einer der südwestlichen Buchten der Insel, geht unsere Reise weiter – immer Richtung Westen. Die cirka 80 sm entfernten Virgins sind unser nächstes Ziel.

Da wir kein amerikanisches Visum haben, beschränken wir uns darauf den britischen Teil davon zu besuchen. Sowohl für den spanischen als auch für den amerikanischen Teil ist ein solches für Segler, die auf eigenem Kiel anreisen, erforderlich.

Die Einklarierungsformalitäten wollen wir auf  Virgin Gorda erledigen. Sie ist die drittgrößte der britischen Virgins und wird, auch wegen ihrer Silhouette einer rundlichen Frau welche am Rücken liegt, „die dicke Jungfrau“ genannt.

Wie empfohlen, melden wir uns über Funk und erhalten einen Platz in der Marina zugewiesen.

Die Mitarbeiter des Marinabüros interessieren sich nur für unsere Kreditkarte und schicken uns nachdem sie deren Nummer notiert und uns den Schlüssels für die Sanitäranlagen gegeben haben, weiter zur Hafenbehörde.

Diese befindet sich ca. 5 min von der Marina entfernt und zu Fuß leicht erreichbar. Das Büro selbst ist schwer zu finden vor allem deshalb, da an der Türe ein großes Schild „out of office“ baumelt. Nach mehrmaligem Nachfragen versuchten wir diese Türe zu öffnen und stehen dem Team der Hafenbehörde gegenüber.  Der Hinweis auf das Schild an der Türe bringt nur ein „ach das dreht sich beim Öffnen immer wieder um“ mit sich. Die Beamten selbst sind recht freundlich und nach dem Ausfüllen aller Papiere mit teilweise 6-fachem Durchschlag  und der Bezahlung des verlangten Obolus (die Kasse hat nur bis 15:30 offen) dauert das Prozedere schließlich doch alles in allem ca. 2 Stunden.

Leider sehen wir von den laut Hafenhandbuch versprochenen netten, freundlichen und um unser Wohlergehen bemühten Mitarbeitern in der Marina sehr wenig. Auch die hoch gelobten und streng bewachten Sanitäranlagen sind eher schlechter Durchschnitt. Aber wer beklagt sich schon, wenn er nach längerer Zeit mal wieder unter einer richtigen Dusche stehen kann – dass diese kalt ist, stört nicht wirklich, denn hier herrschen Tagestemperatur von 30° bis 35°C.

Zwei Restaurants, eine Eisdiele, ein Tauchshop ein Weingeschäft und ein gut ausgestatteter Supermarkt komplettieren das Angebot der Marina.  Nicht gerade billig aber immerhin bekommt man so gut wie alles. Das Angebot für einen Tauchgang um US$ 90,- pro Person nehmen wir nicht an – da gehen wir lieber Schnorcheln.

Ein ausgiebiger Abendspaziergang führt uns ca. 4 km die Landstraße entlang, aber abgesehen von einem Hotel mit Restaurant und einer schlecht besuchte Bar, finden wir nichts und so empfehlen wir uns nach einem Glas Rotwein in unsere Kojen.

Fünf Tage haben wir auf den Britischen Virgins Zeit. Wir finden ein paar wirklich schöne Ankerplätze wie z.B. Gorda Sound. Von den Amerikanern  „a Seaman`s Heaven“ – ein Paradies für Seeleute genannt, ist diese weiträumige, tiefe Bucht an der Nordküste von Virgin Gorda gut gegen Wind und Seegang geschützt und gleicht eher einem Binnenrevier. Laut unserem Hafenhandbuch gibt es drei Einfahrten von denen zwei als gefährliche Passagen ausgewiesen sind.

Wir wollen durch die westliche Passage, welche auf der Seekarte mit 1,5 m Wassertiefe eingezeichnet ist.  Also heißt es Kiel und Ruder  hoch – jetzt beträgt unser Tiefgang nur mehr ca. 70 cm. Ein Mann an den Bug und eine Frau als Ansage für den Tiefgang, wagen wir uns zur Mittagszeit bei hochstehender Sonne und den Wind gegenan mit Motor durch die Einfahrt.

Bei der Ansage von 1 m ist unser Skipper noch ganz locker als wir nur mehr 80 cm Wasser unterm Kiel haben, wird er dann doch etwas blass um die Nase. Da laut Heinz das Log richtig eingestellt ist, fragen wir uns wo die restlichen 70 cm Wasser geblieben sind, wo sich die Tiefenangaben der Karte doch auf das mittlere Springniedrigwasser beziehen sollten. Seichter wird es hier jedoch zum Glück nicht mehr. Als wir unseren, zwar den immer noch starken Wind ausgesetzten, doch wunderschönen Liegeplatz hinter einem Riff erreicht haben, fällt der heutige Sundowner etwas früher und ein wenig stärker aus als sonst.

Von hier sehen wir sowohl aufs offene Meer als auch zur Leverick Bay im Süden der großen Bucht. Viele Jachten bevorzugen die dort befindliche Marina, wo angeblich  vom Champagnerfrühstück bis zum  Captain's Dinner mit gegrilltem Lobster alles geboten wird. 

Weiter wollen wir Virgin Sound nicht erkunden und so verlassen wir die Bucht am nächsten Morgen durch die normale, gut betonnte Ausfahrt.

Eines unserer Ziele für heute ist „The Bath“, obwohl im Hafenhandbuch nur als Tagesliegeplatz bezeichnet, sind die Bojen schon um 8 Uhr Morgens fast alle belegt.

Die gewaltigen abgerundeten Granitfelsen formen eine Grotte, die zum Meer hin offen ist. Der wunderschöne Sandstrand des „Badezimmers“ ist Magnet für viele Touristen, welche mit Booten hierhergebracht werden, und diese Bucht zum in der Sonne liegen und Schnorcheln nutzen.

Noch vor Mittag sind fast so viele Schnorchler wie Fische im Wasser und wir suchen uns ein anders Plätzchen für die Nacht.

Dieses finden wir in einer schönen und ebenso beliebten wie wind geschützten Bucht an der Nordwestseite von Peter Island im Little Harbour. Hier werden Erinnerungen an Kroatien wach. Ein Schiff neben den anderen, jeweils mit zwei Landleinen am Heck und Buganker hängt nebeneinander. Auch wir finden ein Plätzchen zwischen zwei deutlich größeren Segeljachten.

Beim Erkunden der Unterwasserwelt fesselt uns eine Gruppe von cirka 10 Tintenfischen mit ihren Wasserspielen.

Zur Feier des Tages gibt es die Leibspeise des Skippers - Palatschinken. So sitzen wir noch lange und genießen unseren schönen und heute ganz ruhigen Liegeplatz. Nur die Motoren unserer beiden Nachbarn stören die Idylle dieses Abends ein wenig.

Wieder einmal schätzen wir es sehr, dass Heinz sein Schiff so ausgerüstet hat, dass der Windgenerator und die Sonnenkollektoren die gesamte benötigte Bordenergie liefern.

Langsam müssen wir an die  Überfahrt nach Kuba denken - immerhin rechnen wir mit 5 – 7 Tagen je nach Wind. Um die Bordvorräte entsprechend aufzustocken, planen wir einen kurzen Einkaufsstopp auf der Insel Tortola, welche nördlich unseres Ankerplatzes liegt. Nur ein paar Seemeilen entfernt befindet sich Road Harbour, ein riesiger Hafen mit 3 Marinas und einigen Charterstützpunkten.  An einem verlassen aussehenden jedoch offensichtlich gut ausgebauten Steg eines dieser Charterstützpunkte machen wir fest. Heinz bleibt am Schiff,  Edi und ich suchen einen Supermarkt. Am Weg dorthin treffen wir einen freundlichen jungen Mann, der uns mit seinem kleinen Bus zum Supermarkt und wieder zurück fährt. Einen Preis für die ca. 5 Minuten lange Fahrt nennt er keinen – „Tip“ ist für ihn in Ordnung. In dem Wissen mit einem Auto zurückfahren zu können, füllen wir den Einkaufswagen mit all den Dingen, die uns für die Überfahrt wichtig erscheinen. Eine gute Stunde dauert unsere Einkaufsorgie - danach setzt uns der nette junge Mann samt den drei Kartons und vier Plastiktaschen am Steg wieder ab.

Nach dem Verstauen der Einkäufe sitze ich ein wenig geschafft in der Plicht und lasse Tortola „die Taubeninsel“ an mir vorüberziehen.

Die 54 km² große Insel ist ca. 20 km lang und 5 km breit. Die meisten der 14.000 Einwohner leben in der Hauptstadt Road Town. Überall gibt es große und gut besuchte Marinas – doch diese reizen uns nicht. Unsere letzte Nacht in den Virgins würden wir am liebsten in einer einsamen Bucht verbringen. Und wirklich  - auf der Insel Great Camanoe finden wir die wenig bekannte Lee Bay. Eine wunderschöne Bucht, die wir nur mit einem zweiten Segelschiff und ein paar fischenden Pelikanen teilen müssen

So schön die Landschaft dieser Bucht ist so sehr begeistert uns auch die Unterwasserwelt. Schwärme von ca. 3-4 cm großen Fischen nehmen uns die Sicht beim Schnorcheln und sind auch der Grund warum sich die gar nicht scheuen Pelikane unverdrossen immer wieder - aus beachtlicher Höhe - mit dem Kopf voran ins Wasser stürzen. Aber auch größere Räuber wie Baraccudas und Tarpone sehen wir hier unter Wasser – Korallen, Gorgonien, Doktorfische, .... wir können uns gar nicht satt sehen.

Ein Abend wie im Bilderbuch - satt und zufrieden sitzen wir bei unserm Glas Rotwein und genießen die friedliche Stimmung.

Der Great Harbour auf der nur 8 km²  großen Insel Jost van Dyke – sie ist die kleinste der vier Hauptinseln - ist unsere letzte Station auf den Virgins.

Die Ausklarierungsformalitäten sind in fünf Minuten erledigt. Wir kaufen noch Brot und sind nach einer halben Stunde wieder zurück. Einmal noch ins Wasser und dann legen wir endgültig ab um die Virgins zu verlassen.

Als der Anker oben ist, merkt Edi, dass wir unseren Bootshaken, der normalerweise in einem dafür vorgesehenen Rohr am Vorschiff stecken sollte, verloren haben. Er hat den Haken wohl beim letzten Ankermanöver in der Bucht mit den Pelikanen nur an Deck gelegt. Wo und wann dieser sich dann selbstständig gemacht hat, können wir nicht mehr herausfinden.

Der immer noch recht starke Ostwind bleibt uns treu und ich sitze auf meinem Lieblingsplatz in der Plicht und verabschiede mich geistig von der kleinen Insel. Plötzlich sehe ich ca. 50 Meter hinter unserm Heck in den Wellen einen Stab schaukeln. Ich  mache Heinz darauf aufmerksam, wir diskutieren eine kurze Weile, rollen die Genua wieder ein, starten den Motor und ändern unsere Fahrt in Richtung der von mir in der Zwischenzeit fixierten Stelle. Und wirklich kurze Zeit später sehen wir alle diesen langen silbernen Stab im Wasser schwimmen. Ein gekonntes Manöver mit dem 2. Bootshaken und Edi hält unseren Bootshaken wieder in Händen. Völlig verdattert und ungläubig schauen wir auf das Ding. Offensichtlich haben wir ihn bei der Hafeneinfahrt während des Einrollens der Genua verloren und er ist uns ein Stück voraus geschwommen. Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, ihn dann wieder zu finden, kann sich jeder vorstellen.

So beginnen wir unsere Überfahrt nach Kuba in ausgelassener Stimmung.

Diese ändert sich jedoch - was mich betrifft, als die Nacht und meine Wache beginnt - sehr rasch.

Tage und Nächte auf See - weit und breit kein Land in Sicht. Oft schon habe ich davon geträumt.

Aber irgendwas war da anders in meinen Träumen. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich alles andere als traumhaft. Und ich frage mich ernsthaft was ich da eigentlich tue - will ich das wirklich?

Ich sitze mutterseelenallein in stockdunkler Nacht bei immer stärker werdendem Wind,  mit Schwimmweste und an der Leine auf einem rollenden Boot, das mir immer noch ein flaues Gefühl im Magen bereitet. Rings um mich nur Finsternis, abgesehen von den wenigen kleinen Lichtern in der Ferne, von Dampfern oder Fischerbooten.

Andere verbringen ihre Urlaub in Hotels werden den ganzen Tag verwöhnt, sitzen beim Essen auf richtigen Sesseln an Tischen und schlafen die ganze Nacht in ruhig stehenden wunderbar weichen und breiten Betten. Und was tu ich? Ich habe richtig Mitleid mit mir in dieser Nacht.

Doch es kommen auch mondbeschienene Nächte mit glitzernden Sternen, die das Wasser in flüssiges Silber verwandeln. Ich liege an Deck und es ist so wunderbar friedlich und schön, dass ich alles andere vergesse. Um nichts in der Welt möchte ich tauschen, mit niemand. So sollte es immer sein.

Auch das ist Segeln für mich – immer wieder ein Wechselbad der Gefühle.

So vergehen die Tage und Nächte der Überfahrt wie im Flug. Wir gewöhnen uns daran beim Essen alle benötigten Dinge zwischen den Beinen eingeklemmt zu halten. Die sonstigen Mahlzeiten werden nur aus Schüsseln eingenommen mit möglichst wenig Besteck. Herumliegen lassen darf man nichts.

Da wir fast immer recht gleichmäßigen Wind haben, sind selten Segelmanöver notwendig. Die Genua auf der einen, die Fock auf der anderen Seite ausgebaumt - so treibt uns der Ostwind auch ohne Grossegel vor sich her und Kuba entgegen. Manchmal in der Nacht, wenn das Pfeifen des Windgenerators immer stärker wird und die Windfahne nicht mehr Kurs halten kann, verkleinern wir die Genua ein wenig.

Da Heinz weder eine Windanzeige noch ein Log hat, verlassen wir uns auf unser Gefühl und das Pfeifen des Windgenerators. Nur die Fahrt durchs Wasser können wir am Bildschirm des vorklappbaren Laptops – der die Seekarte mit der eingegebenen Route und die GPS Daten zeigt - vom Steuerstand aus sehen. Für uns, die wir sonst mit genauen Angaben über Windstärke, Richtung und Schiffsgeschwindigkeit gut versorgt sind, eine eher ungewöhnliche Situation.

Nach 5 Tagen und Nächten, schneller als gedacht,  nähern wir uns jetzt der größten Insel der Karibik -Kuba. Mit seinen fast 111.000 km² liegt sie in der Rangliste der größten Inseln der Welt auf Platz 15.

Da die weitere Route von Heinz über Nassau (Bahamas) nach Miami führt, werden wir uns nur im Nordosten der Insel aufhalten. Wir sind schon sehr gespannt was uns dort erwartet. 

Die erste Enttäuschung erleben wir jedoch schon, als wir in den von uns ausgesuchten Einklarierungshafen einlaufen wollen - Bahia de Naranjo. Über Funk melden wir uns lange vor der Einfahrt in die Bucht, vorschriftsmäßig ausgerüstet mit gelber Flagge an Backbord und kubanischer Flagge an Steuerbord. Da wir keine Antwort erhalten, passieren wir die Einfahrt und werden kurz danach schon wieder gestoppt. Nein, hier dürfen wir nicht einlaufen, diese Bucht ist Naturschutzgebiet und schon seit dem Jahr 2000 für private Segeljachten gesperrt. 

Etwas enttäuscht kehren wir um und laufen den nächsten, nur 3 sm entfernten Hafen, Puerto de Vita an. Eine große tief einschneidende  Bucht umgeben von Mangrovenwäldern die bis ans Wasser reichen.

Hier werden wir via Funk vom Hafenmeister in die Marina im Südteil der Bucht gelotst und müssen vorerst alle an Bord bleiben – bis der Arzt kommt.

Dieser trifft dann auch nach etwa 40 Minuten bei uns am Boot ein. Sehr freundlich erkundigt er sich nach unserem gesundheitlichem Befinden, füllt einige Formulare aus und meint: „Sie können jetzt die gelbe Flagge herunternehmen“. Dies ist das Stichwort für sechs weitere Männer, die am Steg vor dem Schiff Aufstellung genommen und offensichtlich nur darauf gewartet haben, dass der Arzt die Freigabe ausspricht. Hafenmeister, Veterinär, Einwanderungsbeamter, Zöllner ….. versammeln sich um den großen Salontisch im Schiff und breiten jede Menge Papiere vor sich aus. Heinz verteilt die vorbereiteten Listen mit allen Angaben über Schiff und Crew und beginnt die ihm vorgelegten Papiere auszufüllen und zu unterschreiben. Die Beamten sind sehr freundlich, füllen  einen Teil der Formulare anhand der Angaben der Crewliste selbst aus, und lassen diese dann nur mehr vom Skipper unterzeichnen.

Dieses ganze Prozedere inkl. Suchhund und Kontrolle - mit Aufzeichnung der an Bord befindlichen Lebensmittel vom Veterinär (er wollte bei jedem Ding wissen wo es gekauft wurde) - dauert ca. 3 Stunden. Wir haben ja schon einiges gehört und gelesen über die Behörden in Kuba, aber sie selbst zu erleben ist dann doch etwas Anderes.

Nach einer ausgiebigen Dusche wollen wir die Marina und deren nähere Umgebung erkunden und dann Essen gehen. So weit der Plan. Das mit dem Duschen klappt ja noch, doch die Marina verlassen dürfen Edi und ich nicht. Ohne Visum ist das leider nicht möglich, wird uns freundlich aber bestimmt vermittelt. Also gehen wir wieder zurück auf Schiff und kochen selbst denn das Marinarestaurant ist finster und verlassen.

So haben wir uns den ersten Abend an Land zwar nicht vorgestellt, aber wir lassen uns die Stimmung nicht vermiesen. Unser Skipper hatte mehr Glück, er durfte hinaus – warum haben wir nie erfahren – offensichtlich hat er als Erster von uns den Schranken passiert und die Behörden wollten uns nicht alle hinauslassen.

Am nächsten Tag erhalten wir alle unsere Visa – frei bewegen dürfen wir uns jedoch nur an Land. Wir spazieren durch den kleinen Ort und werden überall mit einem freundlichen „Hola“ begrüßt. Kleine, teilweise recht ärmliche Häuschen mit kleinen Gärten säumen die Straße. Wir finden eine Bäckerei und bekommen dort – mangels Geld – unsere Euro oder Dollar wollen sie nicht – ein paar Brötchen geschenkt. Die Hitze treibt uns bald wieder zurück in die Marina wo wir auch baden gehen.

Ausfahren dürfen wir jedoch nicht – dafür benötigen wir ein Permit. So nehmen Edi und ich die Bordfahrräder und machen uns auf den Weg zu einem der großen Hotels, die wir vom Meer aus gesehen haben. Nach ca. 10 km erreichen wir die großen Ressorts.  Wir wechseln Geld und fahren mit den Rädern zum Strand. Dieser ist frei und für alle zugänglich. Es gibt zwar jede Menge Restaurants und Bars nur Kaufen können wir leider nichts. Die Lokale sind ein Teil der „All inklusive Ressorts“.

So radeln wir nach einem kurzen Bad wieder zum Boot zurück.

Am nächsten Tag haben wir nach einigen Diskussionen mit der Hafenbehörde erreicht, dass wir doch mit Sonderpermit ausfahren dürfen. Wir kreuzen – das erste Mal in diesem Urlaub - gegen den Wind  in die 10 sm entfernte Bahia de Sama. Eine tief einschneidende Bucht in deren Einfahrt wir dann nach Anweisung des Hafenmeisters ankern dürfen. Dort verbringen wir die nächsten beiden Tage und Nächte mit Baden, die Bucht im Beiboot erkunden, spazieren gehen und faulenzen. Wir dürfen sogar an Land gehen – aber nicht alle drei gemeinsam – einer muss immer am Schiff bleiben.

Wieder zurück in der Marina vergeht auch der letzte Tag rasch und wir müssen uns wieder von Heinz und seiner Solace, die uns die letzten drei Wochen fast ein Zuhause geworden ist, verabschieden.

Unser Urlaub ist zu Ende, doch diese Art zu Leben und zu Reisen hat uns in den Bann gezogen. Wer weiß, vielleicht treffen wir uns eines Tages - er mit seinem und wir mit unserem Boot. Irgendwo in der Karibik oder in der Südsee. Schließlich träumen auch wir den Traum aller Segler.


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Stand: 21.02.16