21.09.2007: Aus meinem Logbuch
Montag, 27.8.2007 - 01:30 Uhr
36
Stunden auf See
Ca.
250 sm westlich von Gibraltar, dort wo Europa und Afrika
Platz dem vorherrschenden Nordwind lassen. Weit draußen soll
man fahren, empfehlen die weisen Bücher, nicht zu knapp an
der Küste, weil da der Wind stärker ist.
Eine
laue Vollmondnacht, so hell, dass kaum Sterne auszumachen
sind. Natürlich kein Land zu sehen, aber auch kein Licht
kein Schiff einfach gar nichts – nur Horizont, der ja in der
Nacht nicht selbstverständlich ist.
150
sm haben wir in den ersten 36 Stunden zurückgelegt, den
weitaus größeren Teil davon allerdings mit
Motorunterstützung. Abgelegt bei 4-5 Bft und lästiger Welle
war die gesetzte Arbeitsfock bald zu wenig und auch mit Groß
und Genua dauerte das Vergnügen nicht lange. Im Osten stand
schon seit der Früh das Gewitter, das mich in FARO mit
wolkenbruchartigen Regen und überschwemmten Straßen begrüßt
hat. Wir haben mit dem Ablegen in LAGOS gewartet, wie sich
das Wetter entwickeln wird. Umlaufende Blitze, bedrohlich
schwarze Wolken aber noch kein Regen in LAGOS.
Kein
Wetter für Fahrtensegler, den sicheren Hafen zu verlassen.
Statt
auszulaufen, gingen wir einkaufen, Heinz zeigte mir sein
Schiff, wies mich in alle SicherheitsdetaiIs ein und wir
stärkten uns anschließend mit einer Pizza am Schiff. Was es
alles so am Schiff gibt, erzähle ich besser später, wir sind
ja noch immer in LAGOS ….
Wie alles begann …
Es war eigentlich ein Zufall, als ich
vorige Woche Veronika anrief, um zu fragen, wie’s denn dem
Heinz so gehe und wo er gerade sei. Sie erzählte das Heinz
und er rief mich noch am selben Tag im Büro an: er liege in
LAGOS in Portugal und würde gerne so bald als möglich den
Sprung auf die Kanarischen Inseln wagen – und natürlich
lieber zu zweit als alleine. Man weiß ja nie – die vielen
Schiffe usw.
Mehr als eine Woche
(ungeplanten) Urlaub war aber bei mir leider beruflich nicht
„drin“ - für Claudia kam nicht einmal eine Woche in Frage.
Also im Internet rasch zwei Oneway-Flüge gebucht und im Büro
weise Ratschläge losgeworden – und ab ging’s noch
Freitagabend über Berlin (!) in die Provinzhauptstadt FARO
und am nächsten Morgen mit dem Zug nach LAGOS.
Erst
nach ca. 3,5 Stunden brachen wir um 13:30 UTC auf, obwohl
sich das Wetter kaum verändert hat; nur begann es leicht zu
regnen. Aber im Westen war es deutlich heller und wir
wollten doch erst nach Westen, um vom Land weg bald in
den „Portugal-Passat“ zu kommen. Aber auf diesen warten wir
bislang vergeblich. Bald nach dem Setzen der Segel war der
Wind zu schwach, um in der bestehenden Welle Vortrieb zu
liefern. Die Segel schlugen, sodass Heinz sogar das Groß
geborgen hatte. Zwar klarte es bald auf – vom Wind aber
keine Spur.
Erst am Sonntag um 06:00 Uhr spürte
Heinz eine leichte Brise und rollte die Genua aus. Bis dahin
im Vorschiff ruhig schlafend war ich sofort wach noch bevor
der Motor ausging – und rief im Halbschlaf nach
„Spinnaker“, als ich die 2 Bft aus Ost spürte. Und
Heinz ging und holte den Spi.
Spi-Manöver
Um am Vordeck arbeiten zu können,
rollte Heinz die Genua wieder weg, hängte den Spischlauch an
das Fall, das wegen der weit vorne stehenden Genua nur
hinter die Oberwanten weggespannt werden kann. Die beiden
(!) Spibäume mit den beiden Niederholern, den beiden
Topnanten, den beiden Spibaum-Aus- und Einziehleinen und den
Schlittenhoch- und -niederholer mussten sich den Platz an
den wenigen Klampen am Mast mit dem Fockfall, dem Spifall,
dem Spischlauchhoch- und –niederholer und den anderen
Barber-, Hoch-, Nieder- oder sonst wohin -holer teilen.
War für Heinz aber kein Problem. Ich
hatte am Ruder nur die beiden Schoten zu bedienen, kein Fall
und keine Spibaumleinen, weil die waren alle am Mast.
Weil’s unter Spi so schön war und wir
ja möglichst viele der vorhandenen Segel nützen wollten,
setzten wir zum Topspi noch die Arbeitsfock – man kann
bekanntlich nie genug Segel oben haben.
Und so trieben wir statt mit kräftigem
N-Wind eben mit O-Wind mit ca. 3,5 kn in
Richtung SW . Solange bis zu Mittag der schwache Wind erst
immer spitzer und dann zu guter Letzt fast weggeschlafen
ist. Anständiger Weise drehte er - wie erwartet - mit
der Sonne und kam als „Sundowner“ aus NW wieder. Dort blieb
er dann die halbe Nacht. Mal mit Gr+Ge, mal mit Mo+Gr und
manchmal mit allen dreien kamen wir voran – bis sich der
Wind dann auf weitere 12 Stunden ganz verabschiedete.
Zum Thema Ausrüstung und Sicherheit:
Langsam wurde ich so nach und nach mit
der recht umfangreichen Ausrüstung an Bord vertraut. Heinz
hat sich viele Jahre auf diese Langfahrt vorbereitet, viel
darüber gelesen und versucht, alle Informationen über dieses
Thema in Evidenz zu halten. Dabei wurde natürlich über alle
möglichen und (fast) unmöglichen Unfälle, Überfälle,
Katastrophen und Missgeschicke berichtet und er hat sich
redlich bemüht, gegen alle Eventualitäten gerüstet zu sein.
Das reicht von der Bootsauswahl
(Schwert, wenig Tiefgang, Trockfallen, alte=feste
Bauqualität, anerkannte und erprobte Werft), über mehrfach
redundante Ausrüstung (5 Anker, 7 Feuerlöscher, 200 m
Landleinengurt, u.v.a.m), Unmengen von Ersatzteilen und
Werkzeug bis zum Schutz vor Überfällen und Piraten.
Vom mittels Stahlseil in die Backskiste
geführter Verriegelung der Steckschot mit einer
Metallplatte, einem Niedergang, der bei Bedarf unter
Hochspannung gesetzt werden kann, über eine elektrische
Reling als Weidezaun inklusive des Heckeinstiegs, wenn man
vom Wasser kommt, bis zur akustischen (Horn,
Außenlautsprecher) und optischen Alarmanlage.
Das Schiff soll und darf nicht neu und
hübsch aussehen, damit es keinen Anreiz zum Einbrechen oder
für Überfälle darstellt, soll aber gegen alles und jedes
gerüstet sein.
Eine Auflistung der
sicherheitstechnischen Ausrüstung würde den Rahmen hier
sprengen – jedenfalls liegt ein Österreichsicher Seebrief
für den Fahrtenbereich 4 vor - mit all den darin geforderten
Ausrüstungen und das Schiff wurde durch einen
Sachverständigen (auf eigene Kosten) überprüft.
Dienstag, 28.8.2007 – 19:00 Uhr
Erst
am Montag um 13:30 kam wieder leichter NW-Wind und wir (ver)suchten
wieder einmal den Spi – diesmal auf der anderen Seite. Es
gab nur einen ganz schmalen Bereich zu steuern, wo der Spi
noch nicht eingefallen ist und echten Vortrieb geliefert
hat. Das schwere Schiff war bei der langsamen Fahrt nur sehr
schwer in diesem engen Bereich zu halten und reagierte recht
träge. An (elektrische) Selbststeueranlage oder gar
Windfahne war nicht zu denken. Wir hatten zu diesem
Zeitpunkt geschätzte 32 Motorstunden – die Logbuchführung
war ein wenig unvollständig – und keine Ahnung, für wie
viele Stunden wir Diesel hatten. Wir sind zwar in den
letzten 48 Stunden die notwendigen 200 sm gekommen – aber
die Motorstunden müssen in den nächsten Tagen noch sparsamer
engesetzt werden.
Also wurde von Hand recht konzentriert
gesteuert, immer mit Spi, ganz hart am Einfallen, auch in
der Nacht – man hört ja, wenn der Spi einfällt – weil sehen
kann man den Spi in der Nacht vom Ruder aus nicht:
In der Nacht, als Heinz
allein mit Spi und ohne Selbststeueranlage unterwegs war,
biss ein Tintenfisch (Sepia, wirklich!) an der Schleppleine
und Heinz gelang es, diesen als Ganzen ins Schiff zu
bringen. Vom „Antikoch“ Heinz paniert und mit Reis serviert,
schmeckte er am nächsten Tag ganz ausgezeichnet. Dies blieb
leider der einzige Erfolg, die bösen Fische haben Heinz’
Angelausrüstung dreimal merkbar reduziert.
Ganz, ganz langsam wurde der Wind etwas
stärker, sodass wir nach durchsteuerter Nacht um etwa 7:00
Uhr bei 3 Bt. den Spi bargen und durch die Genua ersetzten –
wir waren dadurch natürlich nicht schneller, aber viel
bequemer unterwegs, da wir die Selbststeuerung einsetzen
konnten. Das gemeinsame Frühstück schmeckte daher besonders
gut.
Freitag, 31.8.2007 02:00 Uhr
Der Wind legte weiter zu,
drehte allerdings nach N, sodass wir mit Genua+Groß vor dem
Wind kreuzen mussten. Der Windpilot schaffte dies ganz
locker, auch als sich nachmittags bei 4+ schon ganz
ordentlicher Seegang aufgebaut hatte. So ging’s die ganze
Nacht recht flott dahin – allerdings in die falsche
Richtung. Bei gefahrenen 5 – 5,5 kn war der Weg nach Lee
allerdings weniger als 4 kn und das war zum Erreichen des
Flugzeuges am Sonntag in der Früh eigentlich zu wenig. Die
Nacht war so OK, aber am Tag, da musste etwas geschehen. Ich
dachte wieder an Spi und Handsteuerung, Heinz hatte eine
andere und bessere Idee: Groß bergen und nur mit Genua
direkten Kurs fahren, war sicher einfacher. Gesagt getan,
Genua dann noch ausgebaumt, Arbeitsfock auf der anderen
Seite ebenfalls ausgebaumt – und ab ging die Post. Das war
jetzt endlich Passatsegeln. Bei 4-5 Bt. mit entsprechender
Welle auf Vorwindkurs wurden wir zwar ordentlich
durchgeschaukelt, dies schaffte jedoch die Windfahne - zu
unserer Überraschung - ohne Probleme und wir hatten sage und
schreibe fast 48 Stunden ohne Segelmanöver vor uns. Die
Geschwindigkeit lag zwischen 5 und 5, 5 kn auf direktem Kurs
– das Flugzeug schien gerettet.
Sonntag, 2.9. 10 00 Uhr – im
Flugzeug
Am
Freitagmittag lagen wir bereits „mitten in den Kanaren“ ohne
allerdings Land zu sehen, nur Schiffe gab es manchmal
am Horizont. Fuerteventura und Lanzarote waren ca. 50 sm
querab und daher nicht auszumachen. Ja nicht einmal unser
Ziel Gran Canaria wollte aus den tiefen Wolken hervorkommen.
Wie einfach und unspektakulär ist doch segeln mit GPS und
Windfahnensteuerung. Wie haben das Segler früher gemacht,
als Sie nach einer Woche auf See bei starker Bewölkung in
die Nähe der gesuchten Insel gekommen sind – oder dies
zumindest angenommen haben. Mit etwas Geduld kam dann auch
Gran Canaria aus dem Nebel und gleich darauf hatten wir
Handy-Empfang – die Welt hatte uns wieder nach 6 Tagen der
Unerreichbarkeit. Auch wenn die eigentliche Ansteuerung, der
große Leuchtturm am Ende der mehrkilometerlangen Außenmole
des Handelshafens von Las Palmas, erst 1,5 sm vorher
auszumachen war.
Ganz anständig, mit gelber Flagge,
machten wir am Freitag um 17:00 Uhr am Schwimmsteg der
Marina fest, die wie bereits im Mittelmeer üblich, auch das
Einklarieren für die Segler durchführt. In 6 Tagen und 3,5
Stunden 713 (laut GPS) gefahrene Seemeilen für eine direkte
Stecke von 640 sm waren kein Geschwindigkeitsrekord – aber
ein wunderschöner geruhsamer Törn mit einem guten Freund –
und für mich bei weitem der längste Schlag, den ich je
gemacht habe – noch dazu zu zweit.
Es hat mir sehr gut gefallen - ich
hätte es noch eine Weil länger ausgehalten und empfand nie
Langeweile. Danke Heinz für die wunderschöne Erfahrung!
Edi (Edmund Dvorak)
29.10.2007: Auf den Kanaren
Hallo Freunde und Bekannte!
Es ist mir endlich wieder einmal gelungen in ein
Internetcafe eine Verbindung mit Euch herzustellen. Meine
Freunde vom Neusiedlersee waren so nett und haben auf der
Homepage der Neusiedlerseesegler
http://sailing.gotdns.com/ von Mörbisch eine Spalte von
mir aufgemacht unter (HeinzB) könnt Ihr die Eindrücke von
befreundeten Seglern die mit mir ein Stück des Weges bis zu
den Kanaren unterwegs waren verfolgen. Derzeit bin ich dabei
eine Radaranlage, einen Watermaker und eine Funkanlage, bei
der ich auch weit am Meer E-Mails empfangen kann einzubauen.
Ihr seht mir wird nicht langweilig, denn Ende November
geht's mit den Kindern über den großen Teich in die Karibik.
Mit lieben Grüßen von den Klimamäßig sehr angenehmen
Kanaren wünscht euch Heinz.
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